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Letzteiszeitliche Stauchmoränen
Deformation am Eisrand

am Beispiel von

Linden

In der Kiesgrube Gridenbühl der Firma B. Stucki, Kies & Beton (im Folgenden kurz: Grube Stucki) ein beeindruckendes Profil aufgeschlossen:

Profil in der Kiesgrube Gridenbühl

Profil in der Kiesgrube Gridenbühl.

Im Rahmen der Diplomarbeit von P. Gander (1996) am Geologischen Institut der Universität Bern ist dieses unter der Leitung von Prof. Dr. Ch. Schlüchter näher untersucht worden.

Geographische Lage

Die Grube Stucki, welche das bearbeitete Profil zeigt, liegt zwischen den Gemeinden Linden und Jassbach. Diese liegen im Jassbach-Tal, einem E W-verlaufenden Seitental des Aaretals, südlich Bern.

Die Koordinaten der Grube sind: 7°41’31’’ E bzw. 46°50’56’’N, die Höhe über Meer ca. 915 m.

Übersichtskarte

Übersichtskarte
(Massstab: 50 km).

Geologie

Das Jassbach-Tal befindet sich innerhalb des Helvétiens der Oberen Meeresmolasse (OMM). Diese besteht vorwiegend aus bunter Nagelfluh mit Sand- und Mergelhorizonten.

Tektonisch gesehen befindet sich Linden in unmittelbarer nördlich der Grenze zwischen flachgelagerter, gefalteter mittelländischer und aufgerichteter subalpiner Molasse. Die Grenze wird durch eine Verwerfung, die Noflen-Störung, definiert, welche wenige 100 m südlich der Grube Stucki, etwa auf der Linie Aeschlen-Grafenbühl-Schöntelmatt-Röthenbach verläuft.

NS-Profil ca. 100 m westlich der Grube Stucki

NS-Profil ca. 100 m westlich der Grube Stucki
(nach Beck et al 1958); NSt - Noflen-Störung).

Eiszeiten im Raum Linden

Die Gestalt des Jassbach-Tals wurde wohl schon vor der vorletzten Eiszeit (klassisch: Riss) angelegt. In der vorletzten Eiszeit, als der Rhonegletscher auch das Jassbach-Tal bedeckte, bekam dieses seine heutige Gestalt. Dabei wurden auch kleine Seitentäler wie das auf der Linie Gridenbühl-Hämlismatt (südlich der Grube Stucki) angelegt.

In der letzten Eiszeit (klassisch: Würm) war der Aaregletscher so mächtig, dass er die Talwasserscheide des Aaretals überschritt und seitlich zur Emme bzw. zum Schwarzwasser hin entwässerte. Im Gurtenstadium (Würm I) wurden die Moränen zwischen Linden und Jassbach abgelagert.

Während einer verhältnismässig kurzen, wärmeren Phase, der Spiezerschwankung, schmolz der Aaregletscher um bis zu 650 m nieder und verliess das Jassbach Tal. Dabei wurden die Münsingenschotter geschüttet. Zu diesen gehören auch die in der Grube Stucki abgebauten Vorkommen.

In einer erneuten Vorstossphase, dem Berner-Stadium (Würm II) reichte der Aaregletscher wieder ins Jassbach-Tal hinein. In dieser Phase sind die Schotter der Grube Stucki kurzfristig vom Gletscher überfahren und speziell in der hier untersuchten Wand mehrfach deformiert worden. Der Gletscher schmolz allerdings rasch wieder zurück, so dass keine eigentliche Grundmoräne über der Grube abgelagert wurde. Hinter dem sich wieder zurückziehenden Gletscher ist die Stauterrasse abgelagert worden, auf welcher heute Linden steht.

Mit Ende der letzten Eiszeit zog sich der Gletscher definitiv zurück. Seitdem hat sich im Jassbach-Tal östlich von Linden Seekreide abgelagert. Ein Torfmoor, welches darüber entstand, ist inzwischen drainiert worden.

Profil Grube Stucki

Die Grube Stucki ist 220 m lang und knapp 100 m breit. Eine Erweiterung nach Osten und Süden um weitere 410 a ist vorgesehen.

Das bearbeitete Profil befindet sich in der südöstlichen Ecke der Grube auf der obersten Stufe. Es ist ungefähr 25 m hoch und 70 m lang. Das Profil erstreckt sich von Osten mit südwestlichem Streichen und biegt dann nach Westen um.

Aufschlussskizzen der Grube Gridenbühl und des Profils

Aufschlussskizzen der Grube Gridenbühl und des Profils
(Massstab: 10 m).

Im Profil sind Stausedimente des Eisrands aufgeschlossen. Sie haben sich im Vorfeld der Gletscherzunge des Jassbach-Tal-Ausläufers des Aaregletschers abgelagert.

Die aufgeschlossenen Sedimente weisen auf eine typische, komplexe Eisrandsituation hin, wo sich ein lokaler Stausee mit den Gletscherflüssen eng verzahnt haben. Die fehlende Entwässerung sowie die Molasse als primäres Material sind Gründe für die Feinkörnigkeit der aufgeschlossenen Sedimente.

Hinweise für den lokalen Stausee sind durch feines See-Sediment, „Laminit“, und durch Fallsteine (drop stones) in diesem gegeben (Fallsteine schwimmen auf Eisschollen auf die Seeoberfläche und fallen beim Schmelzen der Scholle ins feine See-Sediment).

Fallsteine im Laminit

Fallsteine im Laminit

Die Flüsse des Gletschervorfeldes zeigen sich deutlich in den aufgeschlossenen Rinnen in feinkörnigerem Sediment. Diese sind im unteren und weniger gestörten Teil des Profils am besten zu erkennen. Im oberen stark deformierten Bereich sind diese zu Linsen ausgezogen worden. Die Rinnen sind 0.5-10 m breit und 0.2-2 m mächtig. Es finden sich Sand-, Kies- oder Steinrinnen, die teils stark, teils gar nicht durch Karbonatzement verfestigt sind.

Spuren des Gletschers

Der letzteiszeitliche Aaregletscher hat die aufgeschlossen Sedimente der Grube Stucki stark gestaucht und somit deformiert.

Strukturen

Die Deformation des Profils äussert sich in geologischen Strukturen wie Schichtung, Falten oder Überschiebungen. Das Hauptgewicht der durchgeführten Arbeiten in Linden bestand darin, geologische Strukturen einzumessen.

Strukturen im oberen Teil des Profils

Strukturen im oberen Teil des Profils.

Deformation

Der Grad der Deformation unterteilt das Profil in verschiedene Bereiche: Ein unterer, wenig deformierter Bereich wird von einer Basalüberschiebung vom darüber liegenden, stark deformierten getrennt (vgl. Aufschlussskizzen).

Der untere Bereich (im Folgenden: Bereich I) zeigt zwar intakte Rinnen, ist aber trotzdem deformiert. Dies äussert sich im Grossen anhand von zerschnittenen Rinnen - im Kleinen anhand gestörter Texturen. Die Sedimente sind insbesondere nahe der Basalüberschiebung versetzt und verschert.

Oberhalb der Basalüberschiebung sind die Sedimente stark verschert und ausgezogen  (im Folgenden: Bereich II). Ehemalige Rinnen sind zu linsenförmige Sand- oder Kieskörper geformt worden. Im westlichen Teil des Profils beissen aufgeschobene Schichtpakete an der Oberfläche steil aus, während diese im östlichen Teil wieder horizontal umbiegen oder in einer Falte gar überkippen.

In den obersten 5-10 m des Profils sind über einem bestimmten Horizont mehrere extrem deformierte Strukturen aufgeschlossen (im Folgenden: Bereich III). So überkippen am östlichen Ende der Südwand Schichten in einer beinahe geschlossenen Falte. Oder aber Schichten werden kleinräumig und eng verfaltet.

Auswertung der Messungen

Knapp 100 Strukturen konnten eingemessen werden. Diese wurden mittels Stereoplot-Diagramme analysiert und ausgewertet. Werden die erfassten Messungen nach den oben erwähnten Bereiche I-III aufgeschlüsselt und in Stereoplots aufgetragen, werden obige Beobachtungen bestätigt.

Aufgrund gemessener Strukturen definierte Deformationsbereiche I-III

Aufgrund gemessener Strukturen definierte Deformationsbereiche I-III.

Im untersten Bereich I weichen die 12 Messungen ebener Strukturen (Schichtgrenzen, Geröllebenen) im Mittelwert nur um ca. 15° vom Lot ab und streuen nur wenig.

Im mittleren Bereich II streuen die 21 eingemessenen ebenen Strukturen beträchtlich mit einer Streuweite von nahezu 180°. Dabei streuen diese streng um die EW-Biegungsachse 076/01. Die Biegungsachse wird durch EW-orientierte lineare Strukturen (Faltenachsen, Geröllachsen) wiedergegeben, welche im Mittel mit 29° einfallen.

Im oberen Bereich III streuen 35 gemessene Strukturen ebenfalls stark um eine Biegungsachse. Allerdings ist die Biegungsachse nun nach NS orientiert. Alle 6 Faltenachsen liegen beinahe horizontal und - wie in Bereich II - EW-orientiert.

Die Eismassen scheinen die abgescherten Sedimente (Bereiche II und III) seitlich gegen den südlichen Molassehang des Jassbach-Tals gepresst und verdrängt zu haben. Dabei wurde eine Stauchmoräne gebildet. Die im Bereich II gemessenen Strukturen zeigen die dabei zu erwartende Anlage von EW liegenden Faltenachsen, um welche die Schichtung reorientiert worden ist.

Scherfestigkeit und Kohäsion

Anhand einer Probe des „Laminits“ wurden im Labor geotechnische Parameter (Scherfestigkeit und Kohäsion) bestimmt. Mithilfe dieser Parameter kann die „Festigkeit“ des Sediments abgeschätzt werden. Diese betrug bei einer Auflast von 6-8 bar  knapp 4 bar (1 bar entspricht etwa dem Luftdruck oder ca. 2.5 m Schotter, bzw. 5 T/m2).

Da der Aaregletscher ebendiese Sedimente deformiert hat, musste er deren Festigkeit überwinden. Die „Kraft“ des Gletschers musste also mindestens so gross wie die Festigkeit der deformierten Sedimente sein.

Zusammenfassung

Die aufgeschlossenen Eisrandsedimente haben sich in einer Vorstossphase des Aaregletschers während des Berner Stadiums abgelagert.

Der anschwellende Gletscher hat dabei die Stausedimente in seinem Vorfeld wohl schon während der Ablagerung verformt. Während eines weiterreichenden Vorstosses sind die Sedimente zu einer Stauchmoräne deformiert worden.

Danach hat der Gletscher wenig später die Stauchmoräne kurzfristig überfahren und verdichtet. Dabei sind die oberflächenahen Sedimente (Bereich III) ein weiteres Mal stark deformiert worden. Entsprechend dem Eisfluss sind dabei Schichtung nach EW bzw. Faltenachsen in die Horizontale eingeregelt worden. Das Relief, welches die Stauchmoräne wohl besessen hatte, wurde hierbei eingeebnet.

Aus den eingemessenen Strukturen lassen sich die Gletscherflussrichtung herleiten, sowie das Profil als überfahrene Stauchmoräne deuten. Die im Labor bestimmten geotechnischen Parameter hingegen lassen die Grössenordnung der letzteiszeitlichen Kräfte abschätzen.

Bibliographie

Beck †, P. & R.F. Rutsch (1958): Erläuterungen - 336 Münsingen, 337 Konolfingen, 338 Gerzensee, 339 Heimberg. Geologischer Atlas der Schweiz, Atlasblatt 21: 58 p. Kümmerly & Frey AG, Bern.

Chamberlain, T.C. (1890): Boulder belts distinguished from boulder trains - their origin and significance. Bulletin of the Geological Society of America, 1: 27-31.

Gander, P. (1996): Letzteiszeitliche Stauchmoränen - Deformation am Eisrand. Unveröffentlichte Diplomarbeit; Universität Bern.

Gripp, K. (1975): Eisrandstudien ausgehend von Sermeq, SW-Grönland. Meddelelser om Grönland, 195(8), Reitzel, Kopenhagen.

Schlüchter, Ch. & K.A. Müller-Dick (1996): Das Eiszeitalter in der Schweiz - Eine schematische Zusammenfassung. 4 p. Stiftung Landschaft und Kies, Ostermundigen.

Welten †, M. (1988): Neue pollenanalytische Ergebnisse über das Jüngere Quartär des nördlichen Alpenvorlandes der Schweiz (Mittel- und Jungpleistozän). Beiträge zur Geologischen Karte der Schweiz, N.F., 162 Lfg.: 40 p., Kümmerly & Frey AG, Bern.

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Letzte Änderung: 05.10.2001